unglücklich verliebt

Warum verliebe ich mich immer in die Falschen?


 (mit Audioversion)

Es gibt Menschen, die verlieben sich immer wieder in die Falschen. Wir kennen das Phänomen bei uns selbst oder bei jemandem aus dem Bekanntenkreis: einfach kein Händchen in der Partnerwahl zu haben und immer wieder in destruktive Beziehungen zu geraten. Dabei sind es oftmals besonders kluge Menschen mit ganz außerordentlichen Qualitäten, denen das passiert.

Ein Beispiel: Julia ist eine intelligente, attraktive und schlagfertige Frau, die sehr bewusst mit sich und ihren Themen umgeht. Trotzdem berichtet sie, dass sie sich immer wieder in einen Typ Mann verliebt, der sie zunächst charmant und engagiert umwirbt, sie dann aber, wenn die Beziehung näher wird, bekämpft, abwertet und klein macht. Ihr Äußeres wird subtil kritisiert und ihre beruflichen Erfolge werden abgetan; ihre Gefühle daraufhin als überempfindlich, zu unsicher und anstrengend abgewertet. Es kommt dann in der Folge zu heftigen Streits, die zwar irgendwann aus Erschöpfung enden, jedoch nicht zur Klärung oder Verbesserung führen. In ihrer Verliebtheit und dem Wunsch nach Partnerschaft, sucht sie den Fehler insgeheim bei sich und ist hin- und hergerissen zwischen Unterordnung und Rückzug. Irgendwann spitzen sich die Konflikte so sehr zu, dass sie die Beziehung doch beendet … doch mit dem nächsten Partner treten nach kurzer Zeit dieselben Muster auf.

Warum macht das Gefühl, was es will?

Warum verliebt sich eine so fähige Frau wie Julia in einen solchen Typ Mann? Als wir zurück in Julias Vergangenheit schauen, wird schnell deutlich, dass ihre Eltern ihr ebenfalls mit massiver Abwertung und respektlosem Verhalten begegnet sind und ihre Gefühle in Frage gestellt wurden. Dann hieß es: „Sei nicht so empfindlich.“

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beziehung zu den Eltern in der Kindheit nur Bestand haben kann, wenn wir solche negativen Verhaltensweisen irgendwie „wegstecken“, also uns mit ihnen arrangieren. Als kleines Kind haben wir ja keine Wahl. Es ist nicht möglich zu sagen: „Nein, nicht mit mir!“, die Sachen zu packen und sich bessere Eltern zu suchen.

Aus existenzieller Not (wenn die Beziehung zu den Eltern enden würde, wissen wir als Kleinkinder instinktiv, dass wir verhungern würden) sind wir gezwungen Zumutungen hinzunehmen. Zum Schutz der Beziehung und somit unserer eigenen Existenz. Dann suchen wir automatisch den Fehler bei uns, denn uns selbst können wir theoretisch kontrollieren, unsere Eltern nicht. Wir sind zudem ein Teil des Familiensystems und identifizieren uns damit. Unsere Familie und wie dort miteinander umgegangen wird, erleben wir als zu uns gehörig. Es prägt unser Selbstbild.

Egal wie schrecklich der Umgang im Elternhaus von außen wirkt, es ist dennoch das, was wir als Normalität und „Liebe“ kennengelernt haben und das sich wie „zuhause“ anfühlt.

So ist es in diesem Fall nur logisch, dass es im Erwachsenenleben nicht von allein anders wird, weil wir perfekt darin trainiert sind, uns in den schmerzhaften Dynamiken an diesen Stellen hart und taub zu machen. Der Mensch, der seiner Unsicherheit damit begegnen möchte, seine*n Partner*in klein zu halten, wirkt dann, bei allem Frust und Schmerz, doch vertraut. Die Interaktion gleicht dem, was wir als „Liebe“ und Beziehung kennengelernt haben. Wir erleben zwar den Schmerz, aber verfügen nicht über den Selbstschutz der Abgrenzung. Der hätte ja früher zum Tode geführt.

Dieser Partner weckt dann Schmerz und Sehnsucht zugleich. Ein Teil von uns glaubt, bei allem Schmerz, dass die Abwertung richtig ist. Es wäre innerlich die ultimative Wiedergutmachung, nach all den Jahren des emotionalen Hungers, grade von diesem abwertenden Menschen Liebe, Respekt und Wertschätzung zu erhalten. Und schon stecken wir in einer Abhängigkeit und einem niemals endenden Kampf um die Liebe, die eigentlich die Liebe der Eltern ist.

Es gibt auch die Varianten, dass ein Elternteil vielleicht besonders kalt und desinteressiert war und wir später Vereinnahmung, aggressives Verhalten und Grenzüberschreitung als „Gefühl für uns“ und Liebe missinterpretieren. Auch ist die Rollenverteilung bei den Geschlechtern natürlich in beide Richtungen möglich.

Wie da herauskommen?

Es geht also nicht darum, nur zu analysieren, sondern das Fühlen wieder zu lernen, an der Stelle, wo das Fühlen nicht da sein durfte. Eine innere Grenze zu spüren und in der Folge danach zu handeln. Nun, im Erwachsenen-Dasein, sich doch für sich zu entscheiden und nicht auf die eigene Integrität zu verzichten, um der Beziehung willen. Als Erwachsene sind wir nicht mehr existenziell abhängig davon, versorgt zu werden, sofern wir in der Lage sind, uns selbst (emotional) zu versorgen. Je nachdem, wie schädlich oder missbräuchlich die Beziehung zu den Eltern war, ist dabei eine sensible therapeutische Begleitung sinnvoll oder notwendig, da dorthin zu fühlen alten Schmerz berührt.

Wenn Du Dich in den richtigen Menschen verlieben möchtest, iss, wenn Du Hunger hast!

Dieses Fühlen lernen kann ganz simpel mit kleinen Achtsamkeiten begonnen werden. Zum Beispiel Hunger zu spüren und dann etwas zu essen. Oder auszuruhen, wenn wir erschöpft sind. Es geht um den Moment des Innehaltens, Nachspürens, der Wahrnehmung eigener Bedürfnisse und dem entsprechenden Handeln. Je öfter wir dies tun, desto mehr machen wir die Erfahrung, dass wir uns gut um uns selbst kümmern. Das kleine Kind in uns ist dann gut bei uns aufgehoben. Und desto weniger sind wir davon abhängig, von außen (emotional) versorgt zu werden.

Um bei dem Bild des inneren Kindes zu bleiben: Wenn dieses Kind nun vom Gegenüber beschimpft oder runtergemacht würde, würden wir es in der Situation lassen und es ebenfalls beschuldigen? Oder würden wir ihm den Rücken stärken, die Situation unterbinden oder ihm helfen, den Raum zu verlassen?

Es ist nicht so leicht, einen alten Automatismus, zum Beispiel bei einem beginnenden Streit oder bei subtilen Abwertungen, zu unterbrechen. Daher ist es hilfreich, sich regelmäßig achtsam zu fragen, fühle ich mich hier wohl, respektiert und sicher? Und wenn nicht, erst einmal innerlich einen Schritt zurück zu treten.

Pausen machen – bei sich bleiben

Dem Automatismus, in dem Fall vielleicht in einen heftigen Streit zu gehen oder sofort einzulenken, obwohl wir schlecht behandelt worden sind, kommen wir mit einer Selbstverpflichtung zur Pause bei. Mit einem kontemplativen Moment zwischen Emotion und Reaktion.

Je mehr wir lernen, bei uns zu bleiben, desto mehr nehmen wir den anderen mit seinen Themen wahr. Die Abwertung durch den anderen kann dann als zu ihm gehörig erlebt werden und nicht als Wahrheit über uns.

Dann fühlen wir bei einem grenzüberschreitenden Angriff statt Schmerz vielleicht eher ein Befremden und geben uns selbst den Respekt und Schutz, den wir brauchen, anstatt vergeblich zu versuchen, den anderen dazu bringen, uns besser zu behandeln.

Das „falsche Vertraute“ wird uns in dem Zuge fremd und inakzeptabel, dafür werden Respekt und Wertschätzung, langsam aber sicher, grundlegende Bedingung für Kontakt – ohne Wenn und Aber. Kleine Momente der Achtsamkeit im richtigen Moment können zu großen Veränderungen führen.

Tina - soulmates