Was tun, wenn die sexuellen Wünsche in einer Partnerschaft auseinander liegen?
Kein Paar ist sich in allem einig – sei es beim Essen, beim Fernsehprogramm oder manchmal auch im Bett. Aber was, wenn du und dein*e Partner*in unterschiedliche sexuelle Wünsche habt? Vielleicht möchtest du Rollenspiele ausprobieren, während dein*e Partner*in sich in einer vertrauten Abläufen am wohlsten fühlt. Da fühlt man sich vielleicht schnell blockiert, geht dem Thema aus dem Weg oder denkt sogar über eine Trennung nach. Doch es gibt andere Möglichkeiten damit als Paar umzugehen.
Über Sex reden
Für viele Menschen ist es sich nicht leicht über Sex zu sprechen – das ist verständlich. Oft haben wir schon in der Kindheit gelernt, dass das Thema mit Heimlichkeit und Scham verbunden ist. Gleichzeitig wird uns später vermittelt, dass ein „guter“ Sexualpartner intuitiv wissen müsste, was die andere Person will – ganz ohne Worte. Zu Beginn einer Beziehung mag das vielleicht so wirken, wenn die sexuelle Chemie noch mühelos funktioniert. Doch je stabiler und sicherer eine Beziehung wird, desto mehr verlagert sich die Spontanietät hin zu bewusster Planung, sowohl bei Dates als auch bei Intimität. Dieser Übergang mag erst einmal ungewohnt sein, doch eine sichere Beziehung bietet den perfekten Rahmen, um offen über eure Wünsche, Fantasien und Bedürfnisse zu sprechen – selbst wenn sie unterschiedlich sind.
Denk daran: Nur weil du die Wünsche deines Partners oder deiner Partnerin nicht sofort teilst oder verstehst, heißt das nicht, dass sie falsch oder seltsam sind. Wenn dein*e Partner*in dir ein sensibles Thema anvertraut, versuche es, als ein wertvolles Geschenk anzusehen. Du musst nicht bei allem mitmachen wollen, aber neugieriges und wertfreies Zuhören kann eure Bindung und Beziehung stärken. Sich sicher, akzeptiert und gehört zu fühlen, schafft oft den Raum für Kreativität und kann Intimität und Leidenschaft in eurer Beziehung vertiefen.
Wenn ihr offen und regelmäßig über Sex sprecht, könnte sich herausstellen, dass es bei euren unterschiedlichen sexuellen Wünschen nicht nur um Vorlieben geht. Dahinter können auch emotionale oder situative Bedürfnisse stecken. Ein Beispiel: Eine Person braucht nach einem anstrengenden Tag Intimität, um sich verbunden zu fühlen, während die andere sich von dem Tag überfordert fühlt und braucht erstmal Zeit für sich. Wenn ihr diese Hintergründe gemeinsam erkundet, eröffnet das Möglichkeiten zu mehr Verständnis und Empathie.
Gemeinsam Neues wagen
Manchmal entstehen Unterschiede in sexuellen Vorlieben einfach aus fehlender Erfahrung oder Unsicherheit. Viele von uns haben nur wenig sexuelle Aufklärung erfahren – geprägt von Medien, kulturellen Botschaften oder mitgebracht aus früheren Beziehungen. Das vermittelt oft ein eingeschränktes Bild davon, was im Bett alles möglich ist.
Um eure sexuellen Horizonte zu erweitern, könnt ihr gemeinsam auf eine erotische Entdeckungsreise gehen. Es gibt großartige Bücher, Podcasts, Workshops und Online-Ressourcen, die dabei helfen können, eure sexuelle Kommunikation zu verbessern und neue Perspektiven zu gewinnen. Ein Ausflug zu eurem lokalen Sexshop (bzw. das gemeinsame Stöbern nach hochwertigen Sexspielzeugen online) oder das Anhören von Audio-Erotik zusammen können spannende und verbindende Date-Ideen sein, die euch inspirieren und eurer gemeinsamen sexuellen Erkundung eine gute Richtung geben könnten. Indem ihr zusammen lernt und experimentiert, könnt ihr gemeinsame Interessen entdecken und neue Bereiche der Verbindung aufdecken.
Good, Giving, Game
Der Sexkolumnist Dan Savage hat den Begriff „Good, Giving, Game“ (GGG) geprägt. GGG steht für gut im Bett sein (good), auf die erotischen Wünsche deines Partners oder deiner Partnerin eingehen (giving) und bereit sein, Neues auszuprobieren – im vernünftigen Rahmen (game).
Sexualität ist komplex, und Menschen in Beziehungen haben oft unterschiedliche sexuelle Interessen und Fantasien. Das ist normal! Diese Unterschiede müssen nicht das Ende eures Sexuallebens oder eurer Beziehung bedeuten. Wenn die Vorlieben deiner Partnerin oder deines Partners dich weder abschrecken noch überfordern (wenn sie „im vernünftigen Rahmen“ liegen), könnte es sich lohnen, darüber nachzudenken. Wir entwickeln und verändern uns als sexuelle Wesen im Laufe unserer Beziehungen, und es kann eine wunderbare Erfahrung sein, diese Entwicklung bei deiner Partnerin oder deinem Partner sowie bei dir selbst zu beobachten. Zu sehen, wie dein*e Partner*in seine/ihre Sexualität lebt und Freude daran findet, kann ein starkes Aphrodisiakum sein – und die neue sexuelle Aktivität möglicherweise auch für dich aufregend machen.
Und denk daran: Das ist keine Einbahnstraße. Wenn du bereit bist, dich auf die Wünsche deines Partners oder deiner Partnerin einzulassen, wird er/sie das wahrscheinlich auch für dich tun. So entsteht ein gegenseitiger Austausch von Freude und Verständnis.
Beziehungsstrukturen hinterfragen
Manchmal sind Wünsche jedoch einfach nicht miteinander vereinbar – etwa, wenn dein*e PartnerIn etwas möchte, das für dich ein absolutes No-Go ist – und ihr in einer monogamen Beziehung seid. Das kann sich wie eine Sackgasse anfühlen. Dasmuss es aber nicht sein.
Im Gegensatz zu offenen oder polyamoren Beziehungen, basieren monogame Beziehungen oft auf stillschweigenden Vereinbarungen, die nicht explizit ausgesprochen werden. Würde das Anschauen von Pornos gegen eure Vereinbarung verstoßen? Was ist mit erotischen Webcam-Sessions? Wäre es für euch vorstellbar, eine*n Sexarbeiter*in zu buchen, der/die sich auf diese spezifische Fantasie spezialisiert hat?
Ihr müsst eure Beziehung nicht unbedingt öffnen, um eine Lösung zu finden. Es könnte jedoch hilfreich sein, eure monogame Vereinbarung zu besprechen und möglicherweise flexibler zu gestalten. Solche Gespräche sind oft produktiver, wenn sie von einer Paartherapeut*in begleitet werden, die Erfahrung mit sexuellen und Beziehungsdynamiken hat.
Nicht-sexuelle Intimität stärken
Wenn es um unterschiedliche erotische Wünsche geht, kann es schnell dazu kommen, dass der Fokus nur auf den Unterschieden liegt – und andere Formen von Nähe und Verbindung vergessen werden. Dabei ist nicht-sexuelle Intimität wie Kuscheln, Händchenhalten oder bedeutungsvolle Gespräche genauso wichtig, um eure Verbindung zu leben und zu stärken.
Diese Momente körperlicher und emotionaler Nähe können eine Grundlage schaffen, um über die Unterschiede in eurer Fantasien zu sprechen. Wenn dein*e Partner*in sich auch außerhalb des Schlafzimmers geliebt und wertgeschätzt fühlt, kann das den Druck und die Angst in Bezug auf körperliche Interaktionen verringern. Gerade die nicht-sexuellen Berührungen können eine gute Möglichkeit sein, eure Verbindung aufrechtzuerhalten, wenn die sexuelle Dynamik angespannt ist. Aktivitäten wie Massagen, spielerische Berührungen oder einfach eng beieinander zu liegen, können die Bindung zwischen euch stärken und ein Gefühl von Sicherheit schaffen. Mit der Zeit kann diese Sicherheit euren erotischen Funken neu entfachen oder Raum für Kompromisse und gemeinsame erotische Erkundungen eröffnen.
Weg zu mehr Nähe und Wachstum
Unterschiedliche erotische Bedürfnisse können eine Herausforderung darstellen, aber sie müssen nicht zwingend das Ende einer Beziehung bedeuten. Durch offene Kommunikation und kreative Kompromisse können Paare oft eine Balance finden, die für beide oder alle Beteiligten funktioniert. Dieser Prozess geht darüber hinaus, eine Lösung für euer „Problem“ zu finden – er bietet die Möglichkeit, einander näherzukommen, eure Intimität zu vertiefen und einander wirklich zu verstehen.
Manchmal kann professionelle Unterstützung den entscheidenden Unterschied machen. Wenn ihr nach Werkzeugen sucht und einen unterstützenden Raum braucht, um die Dynamik in eurer Beziehung zu verstehen, ist unsere Praxis für euch da. Hier könnt ihr ein Erstgespräch mit mir (Marta) buchen. Gemeinsam können wir daran arbeiten, eure Beziehung erfüllend zu gestalten.