scihe wiederholende Blätter bilden ein Muster

Psychologische Hintergründe für wiederkehrende Beziehungsmuster und Beziehungsprobleme


Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer offensichtlich ist: Viele Menschen stellen, oft erst im Nachhinein fest, dass sie immer wieder an den gleichen Typ Frau oder Mann geraten sind. Sie verlieben sich also in Menschen, mit denen die Beziehung in ähnlicher Weise problematisch und kompliziert verläuft. Auch wenn es zu Beginn alles neu, ungewohnt und diesmal ganz anders wirkte.

Beispielsweise kann eine Frau dazu neigen, sich Männer zu suchen, die einem bestimmten Typ entsprechen, optisch vielleicht trainiert und im Auftreten selbstbewusst, sich in der Beziehung aber zunehmend unzuverlässig oder unsensibel verhalten. Sie kommt vielleicht immer wieder in eine zunehmend unsichere, angepasster oder misstrauische Rolle mit den dazugehörigen Beziehungsproblemen. Trotz der Wiederholung ist es für sie dann doch wieder einer Enttäuschung.

In meiner psychologischen Beratungspraxis höre ich häufig von solchen Dynamiken. Wichtig ist es zunächst zu verstehen, wie es dazu kommt, dass wir uns von Personen angezogen fühlen, die einem ähnlichen Typ entsprechen. Unser Beziehungsverhalten orientiert sich immer an den Beziehungen aus unserer Kindheit, also zu unseren Eltern oder zu uns nahestehenden Personen.

Wie kommt es dazu, dass wir auf einen bestimmten Typ Frau oder Mann stehen?

Wir Menschen sind von unserer Grundstruktur her sehr konservativ. Das heißt, wir bevorzugen das, was wir kennen. Es zieht uns immer wieder in alte Muster, die uns vertraut sind. Dieser Prozess findet häufig unbewusst statt und lässt sich besonders im Bereich Paarbeziehung sehr gut beobachten: Auch wenn der vertraute Typ Mensch nicht unbedingt die beste Wahl für uns ist, wie in dem obigen Beispiel und es mit ihm zu Beziehungsproblemen kommt, wählen wir das bekannte Übel über dem vermutlich besseren Unbekannten. Es ist eben das, was sich für uns normal anfühlt. Wie bei Werbung, die durch Wiederholung funktioniert, weil sie dadurch ein vertrautes Gefühl in uns erschafft, auch dann wenn uns das Produkt an sich gar nicht so gefällt.

Welche Rolle spielt dabei die äußere Erscheinung des Partners?

Äußere Merkmale spielen in dieser Dynamik bei der Partnerwahl nur eine eher untergeordnete Rolle. (Wobei es anscheinend auch da messabare Ähnlichkeiten zwischen Eltern uns Partner gibt, wie ungarische Wissenschafter in einer Studie herausgefunden haben.) Wichtiger als das Aussehen des potentiellen Partners sind typische Interaktionsmuster und Rollen, in die wir uns mit ihm begeben. Zum Beispiel das Gefühl, immer zu kurz zu kommen oder kleingehalten zu werden. Das ist oft ein wesentlicher Punkt in der psychologischen Beratung oder Therapie: ein ungelöster innerer Konflikt wird in unseren Beziehungen sichtbar, weil unser*e Partner*in sich bestens eignet, dass wir unsere Themen auf ihn oder sie projizieren. Der Konflikt mit dem*r Partner*in ist dann der Anlass durch dem die darunterliegende Problematik sichtbar wird.

Gibt es in der psychologischen Beratung oder im Coaching Beziehungsprobleme, die typisch für Berlin sind?

Beziehungsprobleme in einer Großstadt wie Berlin sind im Kern nicht anders als andernorts. Aber es gibt Besonderheiten, bei der Partnersuche, als auch in der Beziehung. In der Stadt bietet sich im Vergleich zu dörflichen Strukturen, eine viel größere Auswahl möglicher Partner*innen. Nicht nur ist die Versuchung daher größer, sich bei auftretenden Beziehungsproblemen immer wieder einen neuen Menschen zu suchen. Auch der Anspruch und Druck und damit verbundene Unsicherheit in Bezug auf die Partnerwahl steigt mit den Auswahlmöglichkeiten. In diesem Sinne macht es die Großstadt gerade zu Beginn einem nicht unbedingt leichter, eine verbindliche und gut funktionierende Beziehung zu führen. Das ist aber nur ein Teil, der Einfluss hat. Die Persönlichkeit des Einzelnen und wie er oder sie auf Menschen zugeht oder sich traut auf den anderen emotional einzulassen ist mindestens genauso wichtig.

Ob in der Anbahnung oder in einer länger andauernden Beziehungen, in meiner Praxis berichten Klient*innen von der Erfahrung, dass sich die Probleme, obwohl es zu Beginn schien, als sei mit dem neuen Gegenüber nun doch einiges anders, sich nach einer Weile die gewohnten Dynamiken zeigen.



Wie wird das Phänomen der sich wiederholenden Beziehungsprobleme in der psychologischen Beratung verständlich gemacht?

Schon Sigmund Freud sagte, dass wir ungelöste Probleme so lange wiederholen, bis wir sie gelöst haben. Er spricht vom sogenannten Widerholungszwang, der vom Unbewussten, bzw. Verdrängten in uns ausgeht. Das ist nach Freud der Grund, warum bestimmte Menschen immer wieder in Situationen kommen und verweilen, die sie eigentlich unglücklich und unerfüllt fühlen lassen. Das Erklärungsmodell basiert auf der Grundannahme, dass wir innere ungelöste Konflikte in uns tragen, die in unserer Kindheit entstanden sind: So wie als Kind mit uns umgegangen wurde, so gehen wir später selbst mit uns um. Bei der Partnerwahl suchen wir uns also in gewisser Weise Mitspieler, die zu dem Film passen, der sich wieder und wieder in unserem Leben abspielt.

Beispiel: Ein Mädchen wächst unter sehr vernachlässigenden Bedingungen auf. Die Mutter ist alkoholkrank, der Vater ist nie da. Aufgrund dieser Gegebenheiten beginnt das Mädchen schon sehr früh Aufgaben der Mutter zu übernehmen. Es begibt sich in die versorgende Rolle, verhält sich sehr vernünftig und stellt die eigenen Bedürfnisse ständig zurück. So sorgt das Mädchen dafür, dass es das System, in dem es lebt, am Laufen bleibt.

In dem es die elterlichen Aufgaben übernimmt, entwickelt es Bewältigungsstrategien um irgendwie mit der bedrohlichen Situation zurecht zu kommen. Natürlich erlebt es ebenfalls die Leere und den Schmerz den die fehlende Zuwendung, Fürsorge und Sicherheits durch die Eltern auslöst und es sehnt sich danach selbst versorgt zu werden. Trotzdem wird es als Erwachsener sehr leicht in Situationen geraten, in denen es sich um die Bedürfnisse anderer kümmert. Es ist das, was es gut kann, was ihm vertraut ist und wordurch dr Erfahrung nach die Dinge ‚am funktionieren gehalten werden‘ können. Genauso wie es ihm vertraut ist zu kurz zu kommen und damit zurechtkommen zu müssen.

Kinder tun alles, um die Beziehung zu den Eltern aufrecht zu erhalten

Das unbedingte Bindungsbedürfnis ist in uns allen angelegt, weil wir als Kind auf unsere Eltern angewiesen sind. Problematisch wird es nur, wenn die Eltern sich nicht ausreichend kümmern, bzw. nicht in der Lage sind auf die kindlichen Bedürfnisse angemessen einzugehen. Das Kind lernt dadurch, seine eigenen Bedürfnisse zu ignorieren und sich selbst die Schuld für die problematische Beziehung zu seinen Eltern zu geben. Es kommt vielleicht zu de Schluss, es sei nicht liebenswert oder irgendwie nicht richtig. Das Mädchen aus dem Beispielfall trägt als erwachsene Frau die Überzeugung aus ihrer Kindheit in sich nur gewollt zu sein, wenn sie funktioniert und versorgt. Darüber hinaus ist sie einfach sehr gut darin, sich um andere zu kümmern und bekommt dafür Anerkennung und erlebt Kontrolle über die Situation.

Wie wirkt sich das konkret auf Beziehungsprobleme der Frau aus?

Sie wird das ‚Drama‘ ihrer Kindheit unbewusst reinszenieren. Vielleicht sucht sie sich aufgrund ihrer Geschichte gerne unorganisierte Künstlertypen oder unzuverlässige, fordernde oder selbstbezogene Partner, um die sie sich dann kümmert und viel Verständnis hat. Die Tragik entsteht dadurch, dass wenn die Frau in ihrem Bewältigungsmuster bleibt, sie zwar in ihrer sicheren Rolle bleibt, jedoch nie die Erfahrung macht, dass sie wegen ihrer Selbst geliebt wird. Sie erfährt nie, dass sie auch schwach und bedürftig sein darf. Der Schutzmechanismus von früher wird so das Gefängnis von heute. Dadurch entsteht zwar das Gefühl der Kontrolle, jedoch wird auch immer wieder die Überzeugung bestätigt, dass sie für Liebe etwas tun muss.

Könnten Beziehungsprobleme und Trennung vermieden werden, würden wir uns bewusst Personen mit einer ähnlichen Kindheitsgeschichte und gleichen Bewältigungsstrategien suchen?

Menschen mit den gleichen Bewältigungsstrategien nerven uns für gewöhnlich eher, als dass wir sie besonders sympathisch finden. Unsere Bewältigungsstrategien sind ja eng verknüpft und angetrieben von unseren negativen Glaubenssätzen. Diese innere kritische Stimme würde dann auch eher beim gleichen gegenüber laut werden. Oft finden wir auch Personen die uns das von allein geben möchten, was in wir in der Kindheit haben entbehren müssen nicht anziehend oder interessant. Eine Person, deren tiefe Überzeugung es ist, nicht um ihrer selbst willen geliebt zu werden, wird mit bedingungsloser Zuneigung und der Fürsorge des Partners kaum etwas anzufangen wissen. Es entspricht einfach nicht ihrem Weltbild. Wir würden uns dadurch in gewisser Weise auch in eine komplett ungewohnte, fremde Situation begeben und ein unbekanntes Spiel mitspielen. Wie oben schon ausgeführt meidne wir Ungewohntes lieber.

In Beziehungen ist es wichtig, dass eine flexible Balance besteht

Letztendlich brauchen wir für eine funktionierende Beziehung Flexibilität in den Rollen und Partner, die im Prinzip beide Rollen einnehmen und auch auf ihre gewohnte Rolle verzichten können. Das grundsätzlich jeder mal die starke Schulter, mal der oder die Bedürftigere sein kann. Sowohl den dynamischen, aktiven und unabhängigen Part einnehmen, als auch die passive, anschmiegsame, weiche Seite zeigen. In meiner psychologischen Beratung oder den Coachings unterstütze ich Menschen auch dabei, auch die Rolle einzunehmen, die sich für sie ungewohnt und fremd anfühlen.

Ist in einer Beziehung nicht immer einer dominanter oder anhänglicher als der*die andere?

Tendenzen in den Rollen sind völlig normal und ok. Es geht darum, dass wir nicht darin erstarren. Für beide Partner ist es wichtig, sowohl selbst auf eigenen Beinen stehen zu können, als auch wirkliche Verbindung mit dem anderen einzugehen. Das lässt sich metaphorisch als das Stehen auf zwei Beinen, dem „Bindungsbein“ und dem „Selbstbehauptungsbein“, veranschaulichen. Lebendig ist es, wenn wir ‚tanzen‘ können. Wir Menschen haben nunmal sowohl das Bedürfnis nach Autonomie als auch nach Bindung. Es geht also um die Balance, zunächst in uns selbst, und dann auch zusammen mit dem*r Partnerin. Wenn sich einer der Partner*innen immer automatisch anpasst und unterordnet und sich der*die andere gleichzeitig sehr selbstbehauptend und aggressiv verhält, führt dies langfristig gesehen leicht zu sich verhärtenden immer extremer werdenden Rollen. Und die werden zum Problem in der Beziehung. Das können wir uns leicht vorstellen, wenn beispielsweise der*die Eine kaum noch nach Hause kommt und sich der*die Andere deswegen sehr beklagt und Vorwürfe macht, weswegen Erstere*r beim nächsten Mal erst recht keine Motivation mehr hat nach Hause zu kommen.

Welche Rolle spielen Beziehungen außerhalb der Familie für spätere Beziehungsmuster?

Auch wenn am Anfang des Lebens meist die Beziehung zu Mutter und Vater am relevantesten sind, haben auch andere Bezugspersonen unter Umständen großen Einfluss auf die Entwicklung eines heranwachsenden Kindes. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Beziehung zu den Eltern sicher und stabil abläuft, das Kind jedoch später massiv problematische Erfahrungen mit Mitschülern oder Freunden macht. Auch können zugewandte Lehrer, Großeltern oder Nachbarn eine positive Bindungserfahrung ermöglichen
Eltern tragen jedoch die Verantwortung für ihr Kind, solange es noch nicht erwachsen ist. Für Eltern gilt jedoch auch: Es ist absolut nicht notwendig immer zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse seiner Kinder einzugehen. Es reicht völlig aus, ausreichend gute Eltern zu sein, die größtenteils in der Lage sind die Bedürfnisse ihrer Kinder empathisch zu beantworten. Liebe Eltern, ihr müsst also nicht alles perfekt machen!

Besteht überhaupt Grund zur Hoffnung auf eine funktionierende Beziehung, wenn die Beziehung zu den Eltern problematisch war?

Aufgrund einer schwierigen Kindheit zu denken, „so bin ich eben“, ist nicht zielführend. Es ist wichtig, als Erwachsener selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen. Hilfreich ist es, sich auf das zu fokussieren, was man*frau gerne möchte. Niemand ist seiner Vergangenheit ausgeliefert. Es gibt immer die Möglichkeit, über alte Gewohnheiten hinauszuwachsen. Das Mädchen aus unserem Beispiel könnte sich zum als ersten Schritt bewusst machen, welche Eigenschaften des Partners ihr in vergangenen Beziehungen nicht gutgetan haben. Bei vielen geht es auch darum, sich seine Partner*in überhaupt anhand innerer Werte auszuwählen, anstatt nach Äußerlichkeiten. Durch Dating-Apps wie Tinder läuft die Partnersuche ja oft sehr oberflächlich ab.

Was wird in der psychologischen Beratung in Berlin unternommen, um Menschen zu helfen, die immer wieder mit den gleichen Beziehungsproblemen zu kämpfen haben?

Ziel ist es im Grunde, dass es der Betroffene lernt, sich selbst das zu geben, was er vom anderen erwartet. In der psychologischen Beratung, Coaching wie auch auch in der Psychotherapie nähern wir uns dem Problem, indem wir gemeinsam herausfinden, um welche Bedürfnisse es sich dabei konkret handelt. Dabei kommen imaginative Techniken aus der Schematherapie zum Einsatz, oder euch ein sogenanntes begrenztes Nachbeeltern des Therapeuten. Darin wird für den Klient*in eine zugewandte, fürsorgliche, die Bedürfnisse beantwortende Haltung und Handlung konkret erfahrbar. Dadurch kann aus einer Sehnsucht ein konkretes selbstfürsorgliches Handlungsmotiv entstehen.

Üblicherweise wird in der psychologischen Beratung oder Psychotherapie zunächst verlangsamt

Es wird in Ruhe und genau geschaut, wie es zu wiederkehrenden problematischen Situationen in den Beziehungen des Betroffenen kommt. Reiz, Emotion und Reaktion verlaufen im Alltag häufig sehr schnell und unbewusst. Wenn ich mit Einzelpersonen arbeite wird aufgedröselt, was in diesen Situationen genau passiert: Was war die Hoffnung? Was ist die Erwartung und das eigentliche Bedürfnis dahinter? Was war die Wahrnehmung? Wie ging es mir dabei? Wie habe ich mich verhalten und was war der Effekt?

Es geht am Ende darum, sich selbst das geben zu können, was man gerne vom anderen bekommen möchte

Fühlt man sich immer von dem gleichen Typ Mensch angezogen, dann ist es hilfreich sich zu fragen, was man*frau mit diesem Typ verbindet. Oft sehen wir in dem anderen eine Eigenschaft, die wir meinen, zu brauchen. Steht man zum Beispiel auf muskulös und stark, wird das möglicherweise mit Stabilität oder Schutz assoziiert. In der psychologischen Beratung, bzw. im Coaching/Therapie geht es dann häufig darum zu lernen, sich seine Bedürfnisse selbst zu erfüllen. Möchte man sich zum Beispiel gerne respektiert und ernstgenommen fühlen, dann wird das Bedürfnis in Regel nicht erfüllt, wenn wir uns gekränkt zurückziehen oder auf den anderen einreden. Stattdessen ist es wichtig, sich zunächst einmal selbst ernst zu nehmen, seine eigenen Grenzen zu respektieren und sich seiner Bedürfnisse klar zu werden. Dann können wir überlegen, was nun eine Handlung wäre, die unserem Bedürfnis entspricht. Vielleicht wäre es, eine Bitte klar zu äußern, Nein zu sagen, Abstand zu nehmen, oder Nähe zu suchen.

Besteht Interesse an einer gemeinsamen Bearbeitung wiederkehrender Beziehungsprobleme, dann nimm gerne gleich Kontakt zu mir auf und vereinbare ein Erstgespräch. Ich bin telefonisch und per E-Mail zu erreichen.

Dieser Blogartikel entstand auf der Grundlage des Interviews bei Deutschlandfunk Nova zum Thema ‚Beuteschema‘

Tina – Soulmates