Titelbild Beziehungsunfähigkeit

Beziehungsunfähig?


In Gesprächen über den unfreiwilligen Single-Status taucht gerne der Begriff beziehungsunfähig auf.

Er wird meist in dem Zusammenhang verwendet, wo sich ein Mensch nicht in eine verbindliche Liebesbeziehung begeben möchte oder kann. Entweder direkt, wenn er oder sie Beziehungen immer wieder beendet bevor sie verbindlich werden. Oder indirekt, indem jemand immer wieder Menschen auswählt, die sich nicht binden oder verfügbar sind.

Wie so oft wird sich auch hier gerne die Frage bei den Zurückgewiesenen bzgl. des offensichtlich Bindungsunwilligen gestellt: ‚mad or bad’? Möchte der andere nur die Rosinen aus dem Kuchen der Zweisamkeit picken? Oder hat er Schlimmes erlebt in Beziehungen zu anderen Menschen, die ihn oder sie hätten lieben sollen?

Eine eindeutige Erklärung ist immer schwierig; es kommen ja immer zahlreiche gesellschaftliche und persönliche Faktoren zusammen.

Es liegt nicht an Dir, es liegt an Berlin!’

Ein verstärkender gesellschaftlicher Faktor ist sicher, dass in Zeiten des hohen Anspruchs an das eigene Leben, Selbstverwirklichung und persönliche Selbstoptimierung die Unsicherheit groß ist und  das Gewicht einer möglicherweise falschen Entscheidung in der Partnerwahl subjektiv schwer wiegt. In der Großstadt sind der Möglichkeiten viele und es gibt mehr zu erleben, als auf dem Dorf. Da braucht man auch nicht unbedingt eine Partnerschaft. Bzw. ist das Single-sein auf dem Dorf sicherlich eintöniger und trübseliger, wenn alle anderen Samstagsabends mit ihrem Partner auf der Couch sitzen…. und die Bindungsmotivation steigt dadurch.

Meines Erachtens ist das aber nicht der Kern des Phänomens häufig loser, wechselnder Kontakte, des wiederholten Beziehungsanbahnungsinterruptus oder der konsequenten Verteidigung des Unverbindlichkeitsstatusses.

Letztlich tun wir Menschen das, was uns ein gutes Gefühl beschert.

Daraus folgt, dass aus verbindlicher Nähe nicht für jeden ein angenehmes Gefühl entsteht. Und das hat nichts damit zu tun, wie gut oder attraktiv der Andere ist. Schon aber damit, wie gut der Andere zu einem passt. Jedoch viel wesentlicher, wie sehr wir uns als Mensch in dem Kontakt gesehen, respektiert und anerkannt fühlen. Und nicht nur in der Rolle gewollt, die der potentielle Partner uns zudenkt und der dann bitte die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen befriedigt. (z.B. Bestätigung der eigenen Attraktivität, Kinderwunsch, steter Lebenswandel, Karriere, Wohlstand etc.)

Es ist, wenn Nähe entsteht, auch die Fähigkeit sich gegenüber den Erwartungen des anderen Anderen abzugrenzen, unentbehrlich. Wem dies sehr schwer fällt, erscheint es manchmal leichter den Kontakt ganz zu beenden. Ich habe schon häufig die Dynamik beobachtet: ich halte den anderen lieber auf Abstand, als ihm/ihr etwas zu versprechen. Denn sonst wird er/sie Erwartungen an mich stellen, die ich nicht erfüllen kann und mich dann ablehnen und verlassen. Oder ich erfülle eine Erwartung und dann kommen viele andere hinzu und alle Leichtigkeit und Spaß sind vorbei. Dem beuge ich so lieber vor.

Sich auf eine Beziehung einlassen….da ist nunmal kein Hebel, den man willentlich umlegen kann und dann ist man offen. Manch einer hofft, wenn ich endlich den/die Richtige(n) treffe, geht alles von allein.

Die Frage ist eher, wie wohl kann ich mich in der Nähe mit dem andern fühlen. Wie mutig bin ich, mich in meinem So-Sein zu zeigen und mich ggf. auch abzugrenzen und den Erwartungen nicht zu entsprechen? Deswegen ist es auch leichter, je mehr Übereinstimmungen es zwischen zwei Menschen bzgl. Humor, Lebensentwurf, politische Einstellung, Interessen und Erwartungen an eine Partnerschaft gibt.

Aber der Boden einer echten Begegnung und echter Nähe ist das ehrliche Interesse am Gegenüber, das Kennenlernen und verstehen des anderen, losgelöst von dem Traumpartner-Idealbild, was ich mir herbeiwünsche.

Mehr Inhalt, weniger Fixierung auf die Form. (In der jeweiligen Situation ist es dann durchaus eine Entscheidung sich zu interessieren und ebenfalls zu trauen sich zu zeigen, die man willentlich treffen kann.) Dann ist die Begegnung zwischenmenschlich auch immer bereichernd, egal was daraus wird.

‘ Erstmal sich selbst lieben…’

Deswegen stimmt die Binsenweisheit, dass man sich erst selbst lieben muss um andere lieben zu können; da nur dann die Fähigkeit vorhanden ist sich im Kontakt auch mal von der eigenen Bedürftigkeit loszulösen und sich vom anderen auch abzugrenzen.

Es lohnt sich auf jeden Fall hinzuschauen, wo genau das Unwohlsein mit dem anderen beginnt und welche alternativen Handlungsweisen es gäbe, als den Kontakt zu beenden.

Ein Etikett wie ‘beziehungsunfähig’ ist auf jeden Fall ein ziemlich ungenaues Fazit und nicht besonders hilfreich.

Und mit dem  Anspruch an wirkliche Begegnung hält man sich dann praktischerweise mit unauthentischen, kontaktlosen Menschen, die sich im Miteinander nicht zeigen und einbringen, erst garnicht auf.

Interessiert euch aufrichtig für einander! Und wo das gegenseitig nicht der Fall ist, geht weiter.

 

Tina Steckling